Zhe Chen
Bees (NO.012-01)
… if hurt, they breathe
Venom into their bite, cleave to the veins
And let the sting lie buried, and leave their lives
Behind them in the wound
– Virgil, The Georgics
Geboren 1990 und aufgewachsen in Peking lebt und arbeitet die Photokünstlerin Zhe Chen in China und Kalifornien, wo sie 2011 am Art Center College of Design in Fotografie und Imaging ihren Abschluss machte. In den letzten vier Jahren hat sie vor allem an zwei Serien gearbeitet. Die erste nannte sie „The Bearable“ (2007-2010), Arbeiten, welche die Selbstverletzungen der Künstlerin dokumentieren. Die zweite heißt „Bees“ (2010-2012), eine Serie von Photographien von Menschen in China, die dasselbe Schicksal und ähnlichen Drang haben wie Zhe. Durch ihre schonungslose Direktheit und gleichzeitigen Sensibilität stehen Zhe’s Arbeiten dem Werk von Künstlern wie Nan Goldin oder Nobuyoshi Araki nahe.
Mit „Bees“ gewann Zhe 2011 den „Three Shadows Photography Award“, den Inge Morath Award der Magnum Foundation und wurde zur Fotografin des Jahres auf dem Lianzhou Photography Festival gekürt. Während der letzten Jahre wurden ihre Arbeiten weltweit ausgestellt: 2013 ON|OFF: China’s Young Artists in Concept and Practice, Ullens Center for Contemporary Art, Peking; 2012 Future Exhibition: Report on the State of Chinese Young Art, CAFA (Central Academy of Fine Arts) Art Museum, Peking; 2011 Night of the Year – Bees, Les Recontres d’Arles, Arles; Three Shadows Photography Award Exhibition, Three Shadows Photography Art Centre, Peking; 2010 World Visions: Emerging Photographers, New York Photo Festival, New York.
Die Serie „Bees“ setzt sich aus 90 Fotografien zusammen. Kombiniert mit 40 Protokollen über und Briefwechseln mit den Porträtierten wird dem Betrachter Einblick in das Intimste der Dargestellten gewährt. Zhe nennt sie liebevoll „Bienen“ und erklärt: „When faced with chaos, violence, alienation and irredeemable losses in life, “bees” feel propelled to leave physical traces and markings on their bodies, in order to testify and preserve a pure and sensitive mind from within.“ Eine Art geistige Selbstreinigung.
Der Intention der Künstlerin zu Folge sollen ihre Photographien nicht dazu dienen, die Selbstzerstörung, den Masochismus zu dokumentieren, die Abnorm darzustellen, sondern – gerade in einer Kultur wie in China, wo die homogene Masse als solche vor das Individuum gestellt ist – einer Gesellschaft ihre Vorurteile aufzuzeigen. Sie sollen verdeutlichen, dass jeder der Photographierten ein Individuum ist, das gesellschaftliche Veränderungen, Zwänge oder andere Umbrüche im Leben auf eine ganz persönliche und intime Weise verarbeitet. Zhe selbst bekennt: „Photographing my bruised body ist the perfect way to evacuate the unspeakable suffering in a tangible way.“
Auf äußerst sensible Art und Weise, mit einem überragendem Gespür für das Erlebte der Dargestellten fängt Zhe eine Stimmung ein, die sich gerade durch ihre Stille auszeichnet und den Rezipienten zum Reflektieren bewegen. Durch die herausragende Qualität der Arbeiten, einem erstaunlich sicheren Umgang mit der Kamera in Bezug auf Licht und Komposition evoziert sie einen Blick, der zunächst die Idee der Verborgenheit und Intimität impliziert und schließlich – nach längerer Beschäftigung damit, Verständnis für die Lebensweise der Protagonisten und sich selbst erweckt. „A scar is what happens when the world is made flesh“, so der Schriftsteller Leonard Cohen.